Aquarium in Deutschland, 6.-15. November 1999

Autoren: Andrej Sabelfeld und Chris Wachsmuth

 

Der siebente Tag (12.11.99), Berlin - Rudolstadt - Die Hölle

Wir hatten geplant, um 11.00 Uhr los zu fahren. Aber bis wir mit dem Beladen der Wagen fertig waren, war es auch schon halb Zwölf. Ein paar Tage zuvor war mir eine originelle Idee in den Kopf gekommen: wir mussten unterwegs sowieso einkehren - warum also nicht bei meinen Eltern im kleinen thüringischen Städtchen Rudolstadt?! Wir mussten dazu zwar ungefähr vierzig Kilometer von der Autobahn abweichen, dafür gab es aber Hausmannskost und nicht, wie sonst, Restaurantessen. Die Idee wurde angenommen.

Vom Kudamm, wie die Berliner den Kurfürstendammen nennen, bis zur Autobahn waren es zehn Minuten, und noch einmal zehn Minuten bis zum Autobahnring. Nach 240 Kilometern gerieten wir in einen Stau - den einzigen in den gesamten zehn Tagen, und auch nur für eine halbe Stunde. Es war ein herrlicher Tag: Alles war in Nebel gehüllt und grau. Das hatte einen ganz besonderen Reiz.

Man wartete mit dem Mittagessen bereits auf uns. Die Jungs dachten erst, sie seien in einem Hotel. Sie tranken wenig und aßen sehr zügig. Nach einer Stunde waren wir schon wieder unterwegs. Ravi, den Veranstalter des Münchener Konzerts, teilten wir mit, dass wir uns etwas verspäteten. Wir waren kurz vor Regensburg. Wie abgesprochen meldeten wir uns bei Ravi, damit dieser sich auf den Weg zu unseren Treffpunkt in Wörth, fünfzehn Kilometer hinter Regensburg machen konnte. Wir wussten nur, dass Ravi uns auf einem Gutshof unterbringen wollte, weit weg von der Zivilisation. Dort sollte sich ein buddhistisches Schulungszentrum befinden. Das klang alles sehr seltsam, aber interessant.

Wir fuhren durch enge Täler auf noch engeren Straßen und mir kam die Erzählung "Wilde Schafsjagd" in den Sinn. Nur, dass wir nicht nach Norden, sondern nach Süden fuhren. Als wir ankamen, erwiesen wir uns tatsächlich an einer ähnlichen Stelle, wie der Held der Erzählung. Allerdings warteten auf uns keine Schafe, sondern Ziegen! Wahrscheinlich hoffte die Hausherrin auf ein Hauskonzert, doch es war gleich zu erkennen: dies war kein Platz, um Energie auszustrahlen, sondern sie in sich aufzunehmen!

Wir aßen in einem Haus, das über vierhundert Jahre alt war. Es gab ein leichtes Abendbrot, da das Mittagessen recht umfangreich war. Neben dem Hauptgebäude, im Seitenflügel, befand sich ein Meditationsraum. Wir verteilten uns, wie es gerade kam, liegend im Raum und lauschten der Musik. Zuerst wählte Ravi etwas aus, danach legten wir das Soloalbum "Fremde" von Ded und Kormilzew auf. Das war bestimmt ein eigenartiger Anblick: Da lagen Leute, wüst in einem Meditationsraum verteilt, auf dem Rücken und hörten sich Experimentalmusik in überdurchschnittlicher Lautstärke an.

 

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