Aquarium in Deutschland, 6.-15. November 1999

Autoren: Andrej Sabelfeld und Chris Wachsmuth

 

Der vierte Tage (9.11.99), Berlin

Eigentlich waren für jede Stadt drei Tage geplant. Aber erstens wollte die Band selber etwas länger in Berlin bleiben und zweitens war der 9. November der zehnte Jahrestag des Falls der Berliner Mauer und folglich fanden an diesem Tag in der Stadt eine ganze Reihe von Konzerten, Partys und ähnlicher Veranstaltungen statt. Aber vorerst musste noch ein bisschen gearbeitet werden - die Musiker hatten heute frei, aber nicht alle. Er war ein Interview anberaumt bei Radio Multi-Kulti, wo schon seit Wochen ein Trailer mit dem neuen Song "StopMaschina" gespielt worden war. Boris, Ded und Stas sollten um 11.00 Uhr abgeholt werden, da um 11.30 Uhr die Sendung laufen sollte. Während Chris noch ein paar private Dinge zu erledigen hatte, fuhr ich mit Sweta ins Hotel, um die Jungs abzuholen. Wegen der Feierlichkeiten war die Stadt durch Staus gelähmt, aber Sweta war ein hervorragender Navigator und da wir alle Staus umfuhren kamen wir in der Sendeanstalt just in time an. Dort wartete man bereits auf uns, und da man befürchtete, dass wir nicht rechtzeitig ankämen, war der Sendetermin um 15 Minuten verschoben worden. Chris war auch bereits da.

Wir mussten nun ein wenig warten und Boris lauschte während dessen den Musikern, die gerade auf Sendung waren. Es war zu erkennen, dass es ihm gefiel. Wir erfuhren danach, dass es sich um eine Gruppe von den Kapverden handelte. Einer von ihnen sprach sogar ein recht gutes Russisch - er hatte in seiner Jugendzeit in Russland studiert. Vera, eine Journalistin des Senders, traf ein. Das arme Mädchen war ganz erregt - Grebenschikow stand leibhaftig vor ihr. Die Sendung begann. Der Moderator war gut vorbereitet und stellte deshalb auch keine all zu dummen Fragen. Der Trailer wurde noch einmal abgespielt, danach wurden wieder Fragen gestellt. Und nun wurde Boris gebeten, Etwas zu spielen. Es erklang das Lied "Joschiwara" in der Liveversion von Boris und Ded. Weiter ging es mit Fragen. Vera übersetzte die ganze Zeit. Eigentlich machte sie ihre Sache ganz gut. Aber sie war vollkommen schockiert, als die Übertragung beendet war, sie den Senderaum verließ und wir ihr mitteilten, dass sie einen Fehler begangen hatte: sie verwechselte "Aquarium" mit ... "Aukzyon"! :) Danach wurde Boris noch gebeten, ein paar Jingles zum Neuen Jahr aufzunehmen. Das dauerte kaum drei Minuten. Anschließend setzten wir uns noch in die Kantine, wo wir Kaffee tranken. Vera interviewte Boris noch einmal off-line.

Es war um Eins herum. Die restlichen Musiker trieben sich in der Stadt herum, wir aber gingen mit Boris und Ded zur Kantstraße. Diese Straße verläuft parallel zum Kurfürstendamm, der bekanntesten Straße im Westteil der Stadt. Boris hat hier eine Menge Freunde und deshalb kennt er die Ecke recht gut. Noch auf dem Weg zum Sender teilte er mit, dass er danach das "2001" besuchen möchte. Dieser Laden ist nicht besonders groß, hat aber eine gutsortierte Auswahl an Büchern und CDs, wohl die beste der Stadt. Bei den fünf Minuten, wie es anfangs hieß, blieb es natürlich nicht, und da unsere Wagen im Halteverbot standen, mussten wir beide eine Strafe bezahlen. Dafür kamen die beiden aber nicht mit leeren Händen aus dem Laden!

Wir brachten die Jungs in ihr Hotel zurück und verabredeten uns zu 19.00 Uhr. In der verbleibenden Zeit musste ich mein Kind aus der Schule abholen und ein Restaurant aussuchen. Wir hatten uns vorab auf ein griechisches geeinigt. Mir war eins in der Nähe der Oranienburger, dem kulturellen Zentrum des Berliner Ostens, empfohlen worden. Ich bestellte dort Plätze und eilte in das Kulturkaufhaus Dusmann auf der Friedrichstraße. Dort wollte ich mich mit Sweta, Gerda und Andrej treffen. Gerda ist diejenige, die unsere Homepage designet hat, und dafür von allen gelobt wurde. Sie war gerade aus Stockholm angekommen, extra zum Aquarium-Konzert.

Ich suchte ein Geschenk für Boris - das Balanescu-Quartett. Und ich versuchte, Richard Thompson zu finden. Es waren an die zehn CDs von ihm im Angebot, aber da wir den Titel des Liedes, das Boris ein paar Tage zuvor gesungen hatte, nicht kannten, konnten wir die richtige Scheibe nicht finden.

Sweta fuhr mit dem Kleinen nach Hause und wir gingen mit Gerda zu Fuß - die Friedrichstraße entlang, Unter den Linden, über den Gendarmenmarkt. Es war noch nicht sechs und so beschlossen wir zum Checkpoint Charly zu schauen, dem bekanntesten der ehemaligen Grenzübergänge zwischen West- und Ostberlin. Wir brachten unsere Filme zum Entwickeln und gingen zu mir nach Hause, tranken Tee und fuhren los, um die Band abzuholen.

Um Acht kamen wir dort auch an. Die Portionen waren sehr reichlich, aber zu fett zubereitet. (Leider erwies sich der Wirt als rusophil und versuchte stolz seine Russischkenntnisse zur Anwendung zu bringen. Die Musiker jedoch sehnten sich nicht sonderlich nach Russland - "...wir Russen brauchen im Ausland die Russen nicht!" Wir begannen mit Ouzo, auf speziellen Wunsch Boris´ in großen Gläsern mit Eis, und danach Wein. Danach wollten sich die meisten schon nicht mehr die Feierlichkeiten anschauen und wir machten uns auf die Suche nach einer guten Bar.

Wir gingen zu Fuß die Oranieburger Straße entlang bis zu den Hackischen Höfen. Das ist ein restauriertes Wohnquartal mit einem Labyrinth an Hinterhöfen, in denen eine Unmenge Restaurants, Bars, Theater und Galerien zu finden war. Sweta, die diese Ecke viel besser als ich kennt, schlug vor, in eine Underground-Bar zu gehen, deren Name ihr aber entfallen war. Die Idee wurde von allen gutgeheißen und so machten wir uns auf den Weg zu dieser geheimnisvollen Bar. Eine Stahltür. Eine Klingel daneben. Das war alles. Kein Schild, nichts. Wir klingelten und eine sympathische Schwarzhaarige öffnete uns die Tür. Alles war in rotes Licht getaucht und erinnerte mehr an ein Bordelle, als an eine Bar. Die Musik war ungewöhnlich - hinter dem Pult strapazierte sich ein koreanischer DJ. Zwischendurch brachte ich den Namen dieser Bar in Erfahrung: Eschlaroque Rümpschrümp. Wow! - dachte ich - Das wäre doch eine originelle Bezeichnung für ein Aquarium-Album. Stas hielt es nach vierzig Minuten schon nicht mehr aus - "Lasst uns in einen anderen Klub gehen!". Kurz darauf machten wir uns auch auf den Weg. Auf der Straße begegneten wir ziemlich abgefahrenen Typen, weniger was die Kleidung, mehr was ihr Verhalten betraf. Zum Beispiel der Fahrradfahrer, der mit seinem Fahrrad die unmöglichsten Kurven beschrieb. Auf die Warnung "He, Kumpel, pass auf!" reagierte er mit hysterischem Lachen und landete auch gleich darauf in einem Bauzaun.

Wir kamen beim nächsten Klub an, dem "Delicious Doughnuts". Dort war der DJ ein Japaner! Es war mittlerweile schon recht ruhig. Doch das verbliebene Publikum war sehr exotisch - Ded sprach noch Tage später über den Transvestiten, mit dem er sich an der Bar unterhalten hatte... Um Eins herum war unsere Truppe dann doch ziemlich down. Zeit, nach Hause zu gehen - morgen wahr schließlich Konzert! Ich fuhr zusammen mit Sweta Boris und Sur, Chris kaum später den Rest ins Hotel.

 

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