Der erste Tag (6.11.99), Hannover - Münster
Am 6. November war ich (Christoph)
mehr oder minder zufällig in "Piter", wie St. Petersburg von den Einheimischen genannt wird. Da mir die Rolle des Tourmanagers zufiel, wollte ich diese Rolle von Anfang an übernehmen.
Die Musiker trafen sich in der Puschkinskaja 10, einer Art alternativen Kulturzentrums. Von dort aus fuhren wir zusammen zum Flughafen.
Zur gleichen Zeit, allerdings mit seinem eigenen Wagen, traf Boris ein. Während des Flugs baten ein paar Mädchen um ein Autogramm.
Das Flugzeug landete pünktlich in Hannover, aber vor uns in der Schlange stand eine Unmenge Aussiedler - Deutsche aus Kasachstan.
Wir überlegten, wie wir die Schlange umgehen könnten, fanden aber keine Möglichkeit. Boris, der weiter vorne in der Reihe stand, erklärte bereits in fließendem Englisch die Situation. Nach ein paar Minuten war die gesamte Band an der Kontrolle vorbei.
Wir wurden natürlich voller Ungeduld erwartet: Karl und Gudrun, die Organisatoren des Konzerts in Münster und Initiatoren der Tour, und Pawel, der Mitorganisator des Berliner Konzerts und Co-Tourmanager.
Von Hannover nach Münster benötigt man ca. zwei Stunden. Boris nahm im Mercedes von Karl, der vorneweg fuhr, Platz. Der Rest verteilte sich auf die gemietete VW Caravelle
und auf mein Wagen (mit dem Pawel nach Hannover gekommen war). Wir brachten die Jungs in das Hotel Coerdehof nach Münster.
Das Programm war ziemlich eng geplant: Es war vier Uhr, un am frühen Abend war ein Empfang bei Karl und Gudrun vorgesehen.
Da sie in einem Einfamilienhaus wohnen war es für sie kein Problem, eine solche Menge Leute bei sich aufzunehmen. Dort warteten bereits ich (Andrej), der extra aus Göteborg angereist war, sowie Olga und Oleg, Mitglieder der Deutsch-russichen Gesellschaft Münster.
Ich hatte am Vortag die Website, die wir speziell für diese Tour eingerichtet haben, "eingefroren" (nur auf das Messageboard konnte zugegriffen und für
den operativen Informationsaustausch genutzt werden) und war mit meinem Wagen nach Münster gefahren.
Das Abendessen war deliciös - man spürte das Faible der Hausherren für Italien.
Kaum war das Essen abgeschlossen, als Boris auch schon seine Gitarre in den Händen hielt. BG machte es sich auf der Ledercouch im Wohnzimmer bequem,
wo sich nun alle versammelten und sich auf Sesseln und dem Boden plazierten.
Leider versagte Karls Kassettenrecorder den Dienst :( . Oleg versuchte, mit einem Diktiergerät mitzuschneiden,
aber es ist bis jetzt nicht bekannt, ob die Aufnahme geklappt hat.
"Bei Karl und Gudrun", 6.11.99, Von Holte-Str. 87 b, Münster
Was war das für ein Erlebnis - im engen Kreis um Boris herum zu sitzen und zu zu hören! Wir beide hatten das Glück, Boris zum ersten Mal truly unplugged live zu hören.
Das vergißt man bis zum Rest seines Lebens nicht mehr.
Boris begann mit einem Lied, das er Karl widmete.
Ich konnte eine ganze Weile nicht erkennen, ob das eines seiner
Song war oder ein fremder. Es war zwar in Englisch, aber voll und ganz in seinem Stil. Ein paar Tage später
fragte ich Boris und er teilte mir mit, dass dies ein Lied von Richard Thompson sei - "Waltzing's for Dreamers". Er sang es mindestens noch dreimal und sie wurde mein Lieblingslied.
Zugegeben, nur in seiner Interpretation, wie ich später feststellte,
nachdem ich mir das Original angehört hatte.
Es fällt schwer, sich daran zu erinnern, was noch alles gespielt wurde...
Vier - fünf Titel von Bob Dylan, Cat Stevens(!) auf meinen Wunsch hin, David Bowie auf Bestellung von Karl. Zwei Titel von Petka Mamonow: "Blumen auf dem Beet" und
"Shooba-Dooba-Blues". "Kapitän Woronin" und neue Songs aus dem Album "Psi" waren auch dabei.
Eine Überraschung für die Liebhaber von Raritäten - "Geh dorthin, wohin du gingst". BG begleitete sein Konzert mit dem Konsum größerer Mengen Kaffees und Whiskeys.
Er sang sehr lange - über zei Stunden (!),
aber jegliches Zeitgefühl war entflogen und niemand konnte sich mehr weder zeitlich, noch räumlich normal orientieren.
Ja, so kann man auch der Realität entrücken.
Zwischendurch sang, auf Karls Bitten, Pawel ein paar Lieder - er ist schließlich selber ein Liedermacher. Boris reagierte darauf auch auf Liedermacherart und sang ein paar Songs von Okudschawa und den Wysotzki-Hit "Eh, noch einmal...".
Und zwar mit solchem Blues-Feeling...
Karl bat Boris, das Lied "New Yorker Qual" zu singen, und es war nicht umsonst - Boris improvisierte einen neuen Schluss:
Über Berlin der Himmel, der ist blau -
die Vorhersage, die irrt sich nie.
Oh, Leute, ich mach mich nach Kreuzberg auf,
bin auf der Suche nach "Chemie".
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Die Massen bogen sich natürlich vor Lachen. Und Christoph zwirbelte mit verschworenem Lächeln seinen Schnauzer.
Es war bereits nach Mitternach, als Stas das Konzert mit einem Machtwort beendete - er packte die Gitarre ein und teilte die Bandmitglieder auf die Autos auf. Aber man kann Stas verstehen -
am nächsten Tag war das Konzert, und er wollte, dass die Jungs ausgeruht waren. Auf nach Hause!
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